Verrannt

„Zuerst wollte ich unsere Geschichte schreiben, um sie loszuwerden. Aber zu diesem Zweck haben sich die Erinnerungen nicht eingestellt. Dann merkte ich, wie unsere Geschichte mir entglitt, und wollte sie durchs Schreiben zurückholen, aber auch das hat die Erinnerung nicht hervorgelockt.
Seit einigen Jahren nun lasse ich unsere Geschichte in Ruhe. Ich habe meinen Frieden mit ihr gemacht. Und sie ist zurückgekommen.
Detail um Detail und in einer Weise rund, geschlossen und gerichtet, daß sie mich nicht mehr traurig macht.

Was für eine traurige Geschichte dachte ich lange. Nicht, daß ich jetzt dächte, sie sei glücklich. Aber ich denke, daß sie stimmt und daß daneben die Frage, ob sie traurig oder glücklich ist, keinerlei Bedeutung hat.

Jedenfalls denke ich das, wenn ich einfach an sie denke. Wenn ich jedoch verletzt werde, kommen wieder die damals erfahrenen Verletzungen hoch, wenn ich mich schuldig fühle, die damaligen Schuldgefühle, und in heutiger Sehnsucht, heutigem Heimweh spüre ich Sehnsucht und Heimweh von damals.
Die Schichten unseres Lebens ruhen so dicht aufeinander auf, daß uns im Späteren immer Früheres begegnet, nicht als Abgetanes und Erledigtes, sondern gegenwärtig und lebendig. Ich verstehe das. Trotzdem finde ich es manchmal schwer erträglich.
Vielleicht habe ich unsere Geschichte doch geschrieben, weil ich sie loswerden will, auch wenn ich es nicht kann.“
[the Reader]

Über arsfendi

Ich bin ein seltsames Mädchen... Meine wilden Träume, die ich bis zum Morgen während dem Vollmond hab, werd ich für immer für mich behalten.
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2 Antworten zu Verrannt

  1. Rabe schreibt:

    Das ist ein guter Grund zu schreiben. Aber man wird die Vergangenheit damit nicht los. Es hilft nur sie mit einer gewissen Distanz von außen zu betrachten. Es könnte sich der Blickwinkel damit verändern

  2. arsfendi schreibt:

    Deswegen mag ich diese Passage so.
    Es spielt keine Rolle wie man über seine Vergangenheit denkt. Egal was war, Schönes oder Bedrückendes, auf die Gegenwart bezogen sollte es keine Rolle mehr spielen.
    Wenn es geht sollte man alleine für sich selbst seinen Frieden mit vergangenem gemacht haben.
    Und heute vielleicht sogar auch über Trauriges lachen.

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