ohne Angst

Sie war schon lange unterwegs, in einem Höllentempo durchs Leben gerast, dass ihr manchmal selbst der Atem stockte, weil der Wind mit aller Urgewalt durchs Gesicht fegte.
So manchen Kratzer trug sie im schnellen Lauf davon, redete sich ein, es wäre halb so schlimm  und pflegte sie dann selbst, diese Wunden, damit möglichst keine Narben blieben.
Manchmal gelang es und wenn nicht, dann wurden sie überdeckt mit einem Lächeln nach außen oder ganz tief vergraben, hinten an der Biegung zur letzten Illusion wo jeder Weg sich gabelt.

Ab und zu wurde sie gefragt, – Land in Sicht? und ihre Antwort war stets die Gleiche: Nein ich suche noch den Horizont.

In der Nacht hörte sie manchmal Stimmen. Grell und laut waren sie und kratzten im Inneren, wenn sie in den Gehörgang eindrangen. Dann drehte sie die Musik etwas lauter oder versteckte sich hinter ihrer eigenen Angst. Doch die Worte waren stets hartnäckig und prasselten auf sie nieder, verfolgten sie oft im Traum, dann wenn sie vor ihrem eigenen Schatten floh.

Sie kämpfte einen einsamen Kampf dagegen, dennoch war es der Stolz, der sie trieb.
Aufzugeben hätte sie sich nie verziehen und es blieb immer wieder ein Traum übrig, für den es sich lohnte zu atmen und das Fell wachsen zu lassen, welches sogar wärmte, wenn sie an so mancher Kaltherzigkeit erfror.

Über ihre Ängste sprach sie nie, wünschte sich nur hier und da einen Notlandeplatz oder zumindest die Leuchtfeuer für die Sichtbarkeit, wenn sie den Fallschirm vergessen hatte und die Welt schon aus den Fugen geriet.

Aber dann lachte sie, nannte sich selbst die Närrin in der Verkleidung des Hasenfußes, verzieh sich den letzten blauen Fleck und ging weiter, sich selbst einredend, dass nie etwas war oder zumindest halb so schlimm.
Was sie nie preisgab, waren ihre Träume. Um ihre Träume hatte sie immer Angst gehabt, dass jemand kommt, der sie derer beraubt. Denn die schenkte sie sich selbst in der Dunkelheit. Darin besiegte sie jede Angst, und es war manchmal der Kampf gegen sich selbst.  Aber sie wuchs daran und wurde stärker, je mehr die Realität sich als Gegner entpuppte.

Und wenn die Nebel sich dann wieder lichteten lief sie einfach weiter, den Mut aus sich selbst geschöpft oder ihn sich selbst gebend.
Sie war zufrieden mit dem was das Leben gab, war sich ihrer Wünsche im Geheimen stets bewusst und lief und lief ohne sich selbst das Ziel zu verraten. Dabei stockte manchmal ihr Atem oder er ging viel zu schnell, weil sie sich selbst antrieb in die Rastlosigkeit zu fliehen.
Wie auch immer, sie war der Motor, der die Abrasion vorantrieb, dann wenn der Berg vor ihr sich auftürmte und sie von sich selbst erwartete, die damit verbundene Last sich nicht anmerken zu lassen, weil sie nur allein in der Verantwortung stand.
Die Simulation zerrte zwar an den Kräften, aber Schwäche zeigen war nicht erlaubt. Nur so hatte sie es gelernt und das war ehernes Gesetz.

Wichtig war immer, die Zeit nicht als Gegner zu sehen, nichts zu bereuen, sondern sich selbst zu investieren. Vor allem aber galt es für sie niemals die Steine, die vor ihr lagen, Felsen werden zu lassen, die sie zu besiegen vermochten.

Irgendwann stand er vor ihr und strich ihr mit sanfter Hand über die vom Laufen erhitzte Stirn.

Seine Stimme war ruhig und leise und streichelte zärtlich über ihre Haut.
Da wo ihr kalt war, erfasste auf einmal eine Glut ihren Körper und er hielt sie, während gefühlte Worte seine Lippen verließen.
Da war kein Platz für Babel, denn kein anderer als er sprach ihre Sprache und alles Schwere machte der Schwerelosigkeit Platz.

Wenn Gedanken sie nicht schlafen ließen, nahm er sie in den Arm und überdeckte alles Denken mit eingehauchtem Glück und wenn die Angst kam, gab er ihr etwas an die Hand, woran sie sich festhalten konnte, bis der Sturm vorüber war.
Bei ihm verspürte sie den Wunsch der Offenheit und zog sich freiwillig Stück für Stück aus, bis sie splitternackt vor ihm stand, damit er in ihr Ich schauen konnte, um ihm zu offenbaren wer sie wirklich ist.
Nur er berührte sie auf jede Distanz in der Einzigartigkeit seiner Liebe. Nur mit ihm schreibt sie Gedanken mit nur einem Stift und ist stolz darauf an seiner Seite zu sein.

Heute läuft sie nicht mehr, oder wenn, dann nur ihm entgegen. Mit Sehnsucht und in Liebe.

Für Angst ist kein Raum mehr und sie fühlt wie Pablo Neruda es so trefflich auszudrücken vermochte, als er an seine geliebte Matilde Urrutia schrieb:

„ In meiner Poesie, in meinen Gedichten möchte ich ihr so nah sein, dass ich in meinem Schlaf ihre Augen schließe.“

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Über arsfendi

Ich bin ein seltsames Mädchen... Meine wilden Träume, die ich bis zum Morgen während dem Vollmond hab, werd ich für immer für mich behalten.
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2 Antworten zu ohne Angst

  1. nurembourgh schreibt:

    „Über mich“… waren die ersten Worte, die er von ihr gelesen hatte, und er wußte bis dahin nicht, wie man Buchstaben folgen konnte, ohne sie zu verändern…als der erste Windzug ihn streifte, ein Hauch von einem gehetzten Leben ihn ergriff, ordneten sich die Worte neu, und er las, was er immer lesen wollte…Der Zug hielt an einem Ort, an dem er noch nie ausgestiegen war, und Hände legten sich an ein Gesicht, das er zu kennen glaubte, und Finger fühlten Gedanken dahinter, die er nur noch lieben wollte, und erst als eine sanfte Stimme flüsterte: „Laß uns gehen!“ wußte er, wohin er immer schon gehen wollte…Wunden hat er nie gesehen, Kratzer konnte er nur erahnen, aber ein Leben spüren, mit jedem Atemzug,…, das wollte er einatmen…Splitternackt geht nur zweisam, und auch nur mit getragenen Sachen, und das Träumen dahinter gehört Dir, und ein Mund, der sie erzählt, weiß um die Stimme, die sie nachspricht, und er weiß, das ihre Träume heilig sind, und baut ein Kästchen darum, mit Samt ausgeschlagen…Zu Hause, heißt dieser Ort, dort, wo ein Stift in tausend Farben zwei Leben aufschreibt…Und als er plötzlich von Angst geschüttelt das Fühlen aufgeben wollte, legten sich zwie Finger auf seine Seele, der eine zeichnete Zeichen auf seinen Rücken, der andere bedeutete Ruhe, und ihre Stimme erzählte von Verstehen, und alles war Ruhe und als die Sonne aufgegangen war, erkannte er ihren Arm, der ihn nur noch festhielt, dort, an dem Abgrund, dort, wo Nebel eine neue Geschichte verbirgt, dort, an deiner Seite…Immer

  2. arsfendi schreibt:

    …schon als sie die ersten geschrieben Zeilen las, war da von dieser Wärme zu spüren, die in jedem Wort lag.
    Als der Zug dann hielt, bekamen all die geschriebenen Worte ihre ganz besondere Bedeutung, weil sie von dem Moment an gelebt wurden.
    Und selbst der tiefste Abgrund bedeutet Glück, weil sich gegenseitig haltend, überfliegen sie jede Tiefe und holen sich den Himmel auf Erden.
    Die Einzigartigkeit ergibt sich aus den Empfindungen, die sie sich beide gegenseitig schenken.
    Und das Wertvollste von sich gab er ihr dann auf dem Bahnsteig in die Hand, wissend, dass sie es für beide halten wird. Das Glück, welches er ihr schenkt und all die Liebe in ihrer ganzen Einzigartigkeit.
    „Take this waltz“, „An deiner Seite“, 2 songs, die für diese Liebe stehen, für immer berühren in ihrer ganz besonderen Bedeutung.
    Ich bin stolz darauf…

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