Schattenfrau

Im Morgengrauen packte sie ein paar wenige Sachen in die Tasche. Sie würde nicht viel brauchen, da es nichts gab was sie mitzunehmen hatte.

Sein Foto stand noch auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett.

Es war so wie sie ihn immer gesehen hatte, distanziert, stark aber mit diesen Blitzen in den Augen, welche sie immer wieder anzogen.

Sie würde es nicht mitnehmen, denn auch wenn sie es fest in ihrem Kopf abgespeichert hatte, würde es schwer wiegen auf dem Weg, den es galt in die Neutralität zu gehen.

Auf dem Foto schaute er gerade in die Kamera und wirkte dennoch so unnahbar, wie jemand der sich nur alleine genügte und jeden anderen als Ballast empfand.

In vielen Stunden kannte sie ihn auch anders, da war sie ihm so nah, als Freund, Geliebte und Frau. Sie konnten lachen zusammen und auch mal ein wenig traurig sein oder albern wie Kinder, die unbeschwert jedem neuen Tag entgegen sahen.

Nur heute war diese Zeit vorbei obwohl sie noch nicht wusste, ob er es verstehen würde.

Er würde es heute Abend lesen nur mit ein paar kurzen Sätzen erklärt, und dennoch wünschte sie sich, dass er auch zwischen den Zeilen lesen würde, wo so viel mehr stand, was sie nie gesagt hatte.

Bei jeder Zeile hatte sie mit sich selbst gekämpft und sich jedes Wort abgerungen, weil das Warum doch vielleicht am Ende so unwichtig ist.

Für Zorn und Wut war eh kein Raum, da die Karten von Anfang an offen auf dem Tisch lagen, nur war sie keine Spielerin, was vielleicht ein Vorteil gewesen wäre.

Bei beiden Stapeln auf dem Tisch hatte sie die Wahl, nur war nie der Joker dabei nur die Serie in Pik oder Kreuz.

Schatten oder Dunkelheit, und so lange sie konnte gab sie ersterem den Vorzug, vielleicht weil sie dachte, dass da zumindest auch etwas Sonne sein musste welche den Schatten erhellte und weniger schmerzhaft machte.

Irgendwann hasste sie all diese Nächte, in denen er ging, weil die andere schon wartete.

Gelacht hatte er, und sie zärtlich in den Arm genommen als sie sich nur wenigstens einmal eine ganze Nacht bis zum Morgen gewünscht hatte.

Es hätte ihr nur etwas bedeutet in aller Unwichtigkeit ihres Schattendaseins in dem sie nicht nur fror.

Sie wusste er würde sie nicht halten, wenn sie jetzt im Morgengrauen ging, so wie es auch nie einen winzigen Halt gegeben hatte.

Vielleicht würde sie ihm auch fehlen so wie sie ihn jetzt schon schmerzlich vermisste.

Aber sie wusste, seine Welt wäre danach auch endlich wieder gerade ohne jegliche Taschenspielertricks in Pik und Kreuz.

Keine Gratwanderung mehr in aller Geradlinigkeit und ohne jeglichen Stein im Weg, der bremste.

Als sie die Türe leise hinter sich ins Schloss zog, dachte sie an ihren letzten Satz an ihn.

„Ich wünsch Dir Liebe und alles Glück der Welt.“

Sie wusste er würde es haben mit ihr.

Aber für sie wurde es Zeit aus dem Schatten zu treten.

Sie würde ans Meer fahren wie so oft, um dort nach der Neutralität in sich selbst zu suchen und einfach nur abwarten bis sie wieder eine andere sein könnte.

Und dann würde irgendwann sein Gesicht in ihrer Erinnerung verschwimmen und nur noch in groben Konturen erkennbar sein und vielleicht dann mit der Zeit alles andere auch.

Wie schwer alles fiel, zeigte sich schon beim Löschen seiner Handynummer.

Immer wieder fragte das verdammte Ding, ob sie auch wirklich löschen wollte unwiderruflich und für alle Zeit.

Ob er vielleicht versucht hätte sie daran zu hindern? Und wenn, hätte es alles nur noch schmerzlicher gemacht, was eh nicht zu ändern war.

Vielleicht würde sie auch später noch weiter zärtlich an ihn denken weil all das gemeinsame Schöne sie immer verbinden würde. Aber er würde es nicht wissen, weil es dann irgendwann keine Rolle mehr spielte.

Unten im Auto drehte sie alle Fenster runter um Luft zu bekommen und den CD-Player auf volle Lautstärke. Der Bass vibrierte im Magen und hämmerte gegen die Hirnwände.

Es würde dauern bis der Kopf wieder frei war und ihr war übel.

Der Film ihres Kopfkinos mit ihm als Protagonisten lief ohne Unterlass und Gnade.

Er fehlte ihr, aber sie hatte ihm geschrieben, dass es ihr gut geht und es so das Beste ist.

Bei der anderen wird es ihm gut gehen und ohne sie noch besser.

Somit war ihr Fortgehen ein Geschenk was sie ihm noch machen konnte. In aller Liebe.

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Eine Antwort zu Schattenfrau

  1. Geliebte des Zeus schreibt:

    Für die Frauen, die unter dem Geliebten-Dasein leiden, stellt sich die Frage, ob es sich lohnt für das Objekt ihrer Begierde zu kämpfen. Vorher sollten sie sich selbst die ehrliche Frage stellen, ob sie wirklich von der zweiten Geige zur ersten wechseln möchten? Bei allem Kampf, kann es natürlich auch so ausgehen, dass keine von beiden gewinnt. Der Alptraum per se! Alle Kräfte und Energie für einen Mann verschwendet, der sich letzten Endes eine andere sucht. Ehefrau und Geliebte schauen gemeinsam in die Röhre.

    Wer hat denn nun die besseren Karten, die Ehefrau oder die Geliebte? Die Statistik sagt: Nur einer von 10 Männern trennt sich für die Geliebte von Frau und Kindern. Und das nach spätestens 3 Monaten. Wer länger zaudert, trennt sich nie. Nun ja, das ist das Los. Ehefrauen wissen das. Geliebte auch.

    Insofern bei der vorbeschriebenen Situation genau die richtige Entscheidung! BRAVO!

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