Monotonie

Begierig schlang er seine Arme um ihren Körper. Er spürte ihre Willigkeit, die sich ihm bot, fern jeder
Gedankenbehaftung.
Ihren Namen hatte er längst vergessen, nur ihr Duft war gegenwärtig und diese weiche warme Haut, mit der sie sich an ihn schmiegte, schnurrend einer Katze gleich.
Fahrig strich er sich durch sein schwarzes Haar, seiner eigenen Unruhe Ausdruck verleibend. Und dennoch konnte er das Zittern seiner Hände nicht verbergen, weil das Hämmern in seinem Kopf nicht aufhören wollte.
In dieser kleinen Bar war er lange nicht mehr gewesen, aber es war an der Zeit, sich dem Trip hinzugeben um zu vergessen und wegzuwischen, was auf seinen Schultern unverlangt lastete und den täglichen Trott
monotonisierte.
Der Whiskey brannte heiß in der Kehle und ließ ihn die Schwerelosigkeit spüren, die ihn mitnahm in die Sphären des Vergessens um endlich diese belastenden Stimmen zu verdrängen, die des Hörens der Wertlosigkeit schon lange anheim gefallen waren.
In der braunen Flüssigkeit spiegelte sich kurz die von ihm gewollte Bedeutungslosigkeit der Dinge, die es galt abzustreifen, um endlich dem tristen Grau eine Farbigkeit zu geben.
Grün gefiel ihm, dieses Grün ihrer Augen mit der schwarzen Umrandung ihrer Wimpern, in das man eintauchen konnte wie in einen moosumrandeten See in freier Natur, die keine Grenzen kannte, und nur unmaßgeblich etwas von den gefährlichen Tiefen freigab, die es galt aufregend mutig zu ertauchen, um darin sich selbst den gewissen Kick zu geben.
Genau danach verlangte es ihm im Hier und Jetzt im Raum der absoluten Nichtigkeit, weil auch im Danach nichts und alles bleiben würde.
Sie trug ein schwarzes Etwas und ein Rot auf den Lippen, was ihn schon alleine im Kontrast zu diesem Blond ihrer Haare in einen irritierenden Rausch versetzte.
Aus ihr heraus quoll das Leben, was ihn umkrallte weil nichts anderes erstrebenswert erschien, nur diesen einen Moment auskostend in der Symbiose nach unten ziehend, um danach als ein anderer aufzutauchen. Sie allein personifizierte die Schwerelosigkeit in der Leichtigkeit des Seins, der er sich ohne Worte hingeben konnte in der Reformation seiner selbst.
Sie trank hastig und rauchte zuviel, genau wie er, und ihre Stimme lockte ihn sirenengleich.
Nur war er nicht Odysseus, der widerstand und das Wachs in ihren Händen war er allein.
Leichtigkeit erfasste ihn in seinem Hass auf das Zurückliegende in der Monotonie des Alltags, wo die Langeweile Einlass gefunden hatte, einem Leben verpflichtet, dem er nichts schuldete außer sich selbst.
Sie sprachen wenig, auch wenn er dem Klang ihrer Stimme liebend gern verfallen wäre, um sich im Rausch der Sinne zu laben. So gab er sich ihrem viel zu lauten Lachen hin und vergaß die wenigen Worte, die ihre roten Lippen verließen.
Das Gestern hatte er schon vor Ewigkeiten abgestreift, weil es lästig erschwerte und nicht mehr zu seiner Umlaufbahn gehörte, und die andere es ihm leicht machte, weil Fragen zu stellen nicht ihr zueigen war und sie sich gehend in Luft auflöste ohne sich umzudrehen.
So ertrank sich das Vergangene von selbst in der Vergessenheit und machte ihm den Weg frei, für Neues und Erstrebenswertes, weil der Hohn den Spott nicht wert war.
Die kleine Bar gewährte ihm Einlass in eine Dunkelheit, der er Licht geben konnte, weil er allein die Lunte in der Hand hielt für ein in Ekstase getauchtes Feuerwerk, das aus ihm herausquellen würde, wenn er nur erst ihre Lippen berührte.
Hautgedanken umnebelten ihn und zerfetzten sein Innerstes als er mit sanfter Hand über das Schwarz ihres Kleides strich. Herzschläge, die bis ins Gehirn hämmerten um den Takt bis hin zum Stakkato zu steigern.
Jazzig verrucht spielte dazu der Pianomann eine Melodie, den Ton vorgebend, die den Rausch verstärkte.
Rory Gallagher kam ihm in den Sinn und der Trip war gut, brachte er ihn „a million miles away“.
Und in der Schwerelosigkeit in der alle Gedanken sich dem Nichts ergaben, war es egal wohin es führte, wusste er doch schon jetzt nicht einmal mehr ihren Namen.
Ihr Duft war betörend und ihre samtig schimmernde Haut erinnerte ihn an etwas, was er mal in den Händen hatte, viel zu schwer lastend und nicht der Rede wert.
Das Grün dieser Augen vor ihm zog ihn Millionen von Meilen abwärts in eine berauschende Tiefe, die dem Ansinnen einen Sinn gab, sich dem hinzugeben, weil er hier seinen eigenen Puls spürte und es nur noch galt die Monotonie des Grau in Grau zu vernichten.
Es spielte keine Rolle, was Mittel zum Zweck sich andiente, weil der Zweck die Mittel heiligte.
Und dieser Trip hier in der vom Rauch umnebelten Bar war gut und ihr Körper bebte in diesem schwarzen
Etwas.
Seine Hände zitterten immer noch aber auch das würde schon im Morgengrauen in Vergessenheit geraten
sein.
So wie alles andere auch in der Verlässlichkeit jeglicher Monotonie.
Nur würde dann das Grau nicht mehr so trist schimmern, weil er das Grün mitnahm um den Tapeten neue Farbe zu geben, um so die Gewohnheit zu vertreiben, die es sich im alten Wohnzimmersessel bequem gemacht hatte. Und er würde leben, vielleicht, nichtsdestotrotz, mehr oder weniger.

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